In früheren Beiträgen haben wir bereits erörtert, was bei der Standortplanung für eine Filiale zu beachten ist und welche Fehler zu vermeiden sind. Ein zentraler Aspekt für den Erfolg eines neuen Geschäfts ist die Analyse der Umgebung: Gibt es Points of Interest, die als Publikumsmagneten viele Besucher anziehen – und wenn ja, welche Art von Besuchern? Welche anderen Läden finden sich in der Nähe? Lassen sich direkte Wettbewerber oder komplementäre Geschäfte finden, welche das eigene Produktangebot unterstützen oder ergänzen?
Wettbewerb vs. Agglomeration
Die Aktivitäten des Einzelhandels konzentrieren sich in der Regel auf Stadtzentren und sekundäre Einkaufsgebiete. Als Folge lässt sich hier oft ein “Wettbewerbseffekt” messen, welcher zu einem stärkeren Preiswettbewerb und damit zu geringeren Einnahmen führt. Zugleich erhöht die Nähe von konkurrierenden und ergänzenden Geschäften die Gesamtattraktivität des Gebiets und zieht somit mehr Verbraucher an – auch als “Agglomerationseffekt” bekannt.
Ob und in welchem Ausmaß ein Effekt den anderen überwiegt, hängt meist von der Beschaffenheit des Geschäfts und insbesondere von der Fähigkeit ab, sich mit seinem Leistungsangebot gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren. So bieten beispielsweise Tankstellen ein Standardprodukt an, bei dem der Preiswettbewerb dominiert. Mode- und Bekleidungsläden bieten dagegen häufig unterschiedliche Produkt– und Preispaletten an und können so von der Präsenz ähnlicher Geschäfte in der unmittelbaren Umgebung profitieren.
Die Summe aller Leistungsangebote und die große Auswahl für den Konsumenten erhöhen die Attraktivität der Shoppingmeile und ziehen mehr Laufkundschaft an. So lässt sich zusätzlich das Kundensegment der Non-Brand-Follower gewinnen. Hier genießt die Marke bisher noch keine Top-of-Mind Position in der Wahrnehmung, so dass sie die Filiale oder den Showroom wahrscheinlich sonst nicht besucht hätten.
Fashion-Brands und Modehäuser bilden somit Paradebeispiele im Einzelhandel, welche von der Nähe zu Wettbewerbern profitieren. Der Wettbewerb trägt nicht nur dazu bei, die Besucherzahlen in der Gegend insgesamt zu erhöhen, sondern erhöht die Attraktivität für eine Kundschaft, die besonders affin für einen Informations- und Kaufprozess ist.
Die verschiedenen Arten von Clustern
Dies erklärt, warum das Konzept der “Business-Cluster”, oder genauer gesagt der “Shop-Cluster”, für den Einzelhandel von großer Bedeutung ist. Doch schauen wir uns die Eigenschaften von Shop-Clustern mal genauer an. Sie können als eine Gruppe von Geschäften mit ähnlichen oder unterschiedlichen Merkmalen definiert werden, die eng beieinander liegen.
Wir bei Targomo verwenden vier Kategorien, um zwischen verschiedenen Arten von Clustern zu unterscheiden:
Größe (klein vs. groß):
Die Größe des Clusters wird durch die Anzahl der Geschäfte bestimmt, die den Cluster bilden. In der Regel gilt: Je mehr Geschäfte ein Cluster anbieten kann, desto mehr Besucher können wir erwarten.
Diversität (homogen vs. heterogen):
Aus wie vielen verschiedenen Kategorien von Geschäften setzt sich der Cluster zusammen? Handelt es sich um eine “Fashion-Meile“ oder sind hier Möbelgeschäfte angesiedelt? Oder ist der Cluster vielleicht durch sich ergänzende Geschäfte wie eine Apotheke, einen Supermarkt und eine Drogerie definiert? Insbesondere Branchencluster können sich sehr positiv auf Geschäfte derselben Kategorie auswirken.
Preis (teuer vs. billig):
Wie hoch ist der Durchschnittspreis der Geschäfte, die den Cluster bilden? Das Sprichwort “Gleich und gleich gesellt sich gern” gilt auch für den Einzelhandel, wenn er die gleichen Zielgruppen anspricht. Deshalb findet man in der Regel edle Designerläden nebeneinander, aber nur selten einen Juwelier neben einem Discounter.
Marken (brand vs. non-brand):
Bilden die bekanntesten und beliebtesten Marken den Cluster, oder unabhängige Geschäfte und alternative Designerlabels? Auch hier finden sich oft gleichgesinnte Geschäfte zusammen und prägen den Charakter einer Einkaufsstraße.
Wie Cluster die Qualität der Passantenfrequenz bestimmen
Die Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Clustertypen liefert den Entscheidern im Bereich Retail sehr wertvolle Erkenntnisse darüber, welche Merkmale für ihren Geschäftserfolg ausschlaggebend sind und worauf sie bei der Auswahl ihres nächsten Standorts achten sollten. Tatsächlich geht es nicht nur um die Quantität der Besucherzahlen, sondern vor allem um die Qualität der Laufkundschaft rund um ein Geschäft.
Um die Verkaufsziele zu erreichen, sollte sich ein Unternehmen in einem Gebiet ansiedeln, welches die richtigen Personen anzieht. Das heißt im Rahmen der Standortplanung sollte die Nähe zu Geschäften anvisiert werden, welche die gleiche Zielgruppe ansprechen.
Der Wert des Clustereffekts für Umsatzprognosen
Bei Targomo untersuchen wir in unserer “Erfolgstreiber“-Analyse, ob und inwieweit sich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Shop-Cluster positiv auf den Umsatz auswirkt. Die Einzelhändler können so Zusammenhänge verstehen und wissen nicht nur, auf welche Standortattribute sie bei der Eröffnung eines neuen Standorts achten sollten, sondern auch, in welcher Gewichtung sie den Geschäftserfolg beeinflussen.
Die gewichteten Attribute können darüber hinaus in das Geo AI-Modell von Targomo integriert werden – ein Prognosemodell, um relevante Umsatzkennzahlen für jeden potenziellen Standort vorherzusagen.
Der Ansatz von Targomo basiert auf drei maßgeblichen Schritten:
1. Erstellung von Shop-Clustern auf der Grundlage der Entfernung zwischen den POIs der Geschäfte
2. Berechnung verschiedener Cluster-Attribute wie Größe, Vielfalt, Preis und Markenpopularität
3. Einbeziehung der Cluster und ihrer Attribute in das Geo AI Prognosemodell
Mit Geo AI: Die Suche nach den „besten Nachbarn“
Das Geo AI Prognosemodell weist dann feingranular aus, welche Merkmale einen Standort zum Erfolg führen und in welchem Maße die jeweiligen Standortmerkmale zum Erfolg beitragen.
Um ein Beispiel zu nennen: Die Ergebnisse einer aktuellen Fallstudie haben gezeigt, dass für einen Einzelhändler im Bereich Inneneinrichtung und Möbel der Faktor „Preis“ das wichtigste Clustermerkmal war. Die Marke profitiert besonders, wenn viele hochpreisige Geschäfte in der Nähe sind.
Vor diesem Hintergrund haben die Standortentscheider der Marke zusätzliche Kriterien bei der Suche nach einem profitablen Gebiet für die Eröffnung eines neuen Geschäfts zur Verfügung. Dabei liegt nun ein weiterer Fokus auf den „besten Nachbarn“ und somit der Art von Geschäften, die zum Erfolg des Unternehmens beitragen.
Autorin: Marta Fattorel ist Spatial Data Scientist bei Targomo. Nach ihrem Abschluss in Data Science an der Universität Trient kam sie zu Targomo nach Berlin, um den Einfluss der verschiedenen Standortfaktoren auf den stationären Umsatz der jeweiligen Marken zu untersuchen.
Comments