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Der Aufstieg der ‘Ghost Kitchens’: Online bestellen, daheim essen

By Jonathan Klinck | 06 Juli 2021
Ghost kitchens: A chef preparing a meal.

Ghost kitchens: Real staff, real food. Source: Daniel Nijland / Unsplash

SERIE: TRENDS IM EINZELHANDEL, DIE SICH WÄHREND DER PANDEMIE VERSTÄRKTEN

#2 — Ghost Kitchens (Geisterküchen)

Die Pandemie hat Restaurants und Bars in Europa gezwungen, monatelang ihre Türen zu schließen – erst seit kurzem dürfen sie wieder Kunden bedienen. Die einzige Möglichkeit, während der Schließung weiter zu kochen und zu servieren, bestand darin, Gerichte zu den Kunden nach Hause zu liefern. Und das geschah in der Tat exponentiell und kurbelte den Umsatz von Just Eat Takeaway.com, Delivery Hero, Grubhub und ähnlichen Bestell- und Lieferdiensten auf der ganzen Welt an.

In diesem zweiten Artikel unserer Einzelhandelsserie werfen wir einen Blick auf die Essenslieferdienste. Hier haben sich sogenannte Ghost Kitchens etabliert – Geisterküchen oder ‚Dark Restaurants‘, die keinen Gastraum haben, oftmals mehrere Küchen unter einem Dach vereinen und ausschließlich für Essenslieferungen kochen.

Die Bequemlichkeit der Lieferung

Im ersten Artikel haben wir besprochen, wie Bequemlichkeit für viele Menschen in den Vordergrund rückt. Das war schon vor der Pandemie ein Trend, aber der Ausbruch des Coronavirus hat ihn noch beschleunigt. Nach Büchern und elektronischen Geräten rückten Lebensmittel in den Vordergrund, die online gekauft und geliefert werden können. Während der Pandemie war die Essenslieferung für viele die einzige Möglichkeit, eine frisch zubereitete Speise ohne eigenes Kochen zu erhalten. Und das nutzen die Menschen in Scharen.

Die Zahlen der großen Anbieter belegen das: DeliveryHero, das in 50 Ländern rund um den Globus tätig ist, verzeichnete im Jahr 2020 einen sprunghaften Anstieg der Bestellungen um 96 % auf 1,3 Mrd. Bestellungen (diese Zahl beinhaltet auch Bestellungen von Lebensmitteln und Non-Food-Artikeln). Die Bestellungen hatten einen Wert von rund 12,4 Mrd. € (15 Mrd. $). Andere Lieferunternehmen, wie Glovo, DoorDash und Uber Eats, haben ähnliche zweistellige Wachstumszahlen gemeldet.

Genaue Branchewerte variieren global stark, aber laut einer Studie von Research and Markets wird erwartet, dass der weltweite Umsatz in diesem Jahr 127 Mrd. $ erreichen wird, ein Plus von 10 % gegenüber 2020, und weiter auf 192 Mrd. $ im Jahr 2025 wachsen wird. Interessanterweise heißt es in der Studie, dass “die Kosten für Lieferkette und Logistik das größte Hemmnis für den Markt der Online-Lebensmittel-Lieferdienste sein werden.” Unternehmen könnten sogar “bis zu 26 % ihres Gewinns verlieren, wenn sie ihr Logistiksystem nicht aufrüsten, um eine pünktliche Lieferung zu gewährleisten”.

Einzug der Geisterküchen

Der Boom der Essenslieferanten hat mit den Ghost Kitchens eine neue Art von Gastronomie hervorgebracht, die als Dark-, Cloud- oder Digital-Only-Restaurants bezeichnet werden. Diese Einrichtungen wirken auf Webseiten wir übliche Restaurants, kochen aber in der Regel nur für die Lieferung und haben weder einen Gastraum mit Sitzplätzen noch Kellner. Sie nehmen die Bestellungen online oder telefonisch entgegen und können auch verschiedene Arten von Küche unter einem Dach vereinen, zum Beispiel Pizza und Pasta in einem Teil der Küche und Burger in einem anderen Teil.

In der Regel findet man Geisterrestaurants nicht in Einkaufstraßen oder Ausgehvierteln, und erkennt sie vielleicht nicht einmal von außen. Stattdessen befinden sie sich in Wohnvierteln oder bei Parkplätzen in der Nähe ihrer Kunden. Denn die Nähe zu den Kunden ist entscheidend: Sie garantiert, dass die bestellten Speisen schnell aus der Küche in die Wohnung oder ins Büro geliefert werden können.

Lieferdienste, die selbst Ghost Kitchens betreiben

Virtuelle Restaurants existieren typischerweise nur in den Apps von Essenslieferdiensten, wie FoodPanda, Deliveroo oder Wolt. Einige gehören realen Restaurants und werden von diesen betrieben, während andere von Lieferfirmen selbst eingerichtet werden. Deliveroo zum Beispiel betreibt drei Dutzend Standorte, die 220 Geisterküchen auf vier Kontinenten beherbergen, wie CNBC berichtete. Einige von ihnen sind in Schiffscontainern auf Parkplätzen oder in Lagerhallen untergebracht. Die Delivery-Hero-Marke FoodPanda betreibt in Asien eigene Geisterküchen und plant, diese auch in Deutschland zu eröffnen.

Einige dieser Lieferdienste vermieten Küchenflächen auch an bestehende Restaurants, die so ihre Reichweite auf neue Gebiete ausdehnen können. Denn das Liefergebiet beschränkt sich dann nicht mehr auf die Umgebung der Restaurants selbst. Die Betriebe profitieren von neuen Bestellungen, die ihre physischen Standorte nicht erfüllen konnten. Es gibt auch Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, diese Geisterküchen einzurichten und zu vermieten, wie Reef und Cloud Kitchen in den USA.

Ghost kitchens: Find the ideal locations for virtual restaurants with location analytics platform TargomoLOOP.

Damit eine Geisterküche erfolgreich ist, muss sie Mahlzeiten anbieten, die in einer bestimmten Nachbarschaft gefragt sind, und diese zeitnah liefern können. Quelle: TargomoLOOP

Vorteile der Geisterküche: Geringere Kosten, neue Kunden

Es gibt drei klare Vorteile beim Betrieb von Geisterküchen, sagt Thomas Primus, CEO und Mitbegründer von FoodNotify, das Restaurants bei der Digitalisierung von Abläufen wie Liefer- oder Rezeptmanagement unterstützt.

“In vielen Fällen lassen sich durch die gemeinsame Nutzung von Räumen und Standorten zusätzliche Kosten einsparen. Außerdem müssen Geisterküchen kein Geld für die Innenausstattung ausgeben, etwa für Tische und Stühle, Kellner und gedruckte Speisekarten. Ein zweiter Vorteil ist, dass viele Küchen ihre Auslastung erhöhen können, indem sie Kunden online bedienen, z. B. indem sie Mittagessen anbieten oder eine völlig neue Produktlinie wie Wraps und Burritos zusätzlich zu Pizzen. Drittens bieten Ghost Kitchens eine kostengünstige Möglichkeit, in neue Stadtteile oder Städte zu expandieren und neue Kunden zu erreichen”, erklärt Thomas.

Er glaubt, dass vor allem kleinere Gastronomen von dem Konzept profitieren können, weil sie nicht viel in ein neues, vollwertiges Lokal investieren müssen, wenn sie expandieren wollen. Sie können einfach eine Küche einrichten oder einen Raum in einem ‚Geisterladen’ mieten, um neue Kunden zu erreichen. Auch Menschen, die ein neues Restaurant eröffnen wollen, könnten profitieren, denn sie können ihre Idee zunächst als virtuelle Küche testen und sehen, was gut läuft und was nicht.

Geister-Küchen, reales Wachstum

Thomas findet es schwierig, Prognosen für den Markt der Geisterküchen abzugeben, aber er glaubt, dass er weiter wachsen wird. In Europa ist der Markt noch relativ klein und gilt als Nischenmarkt, aber in den USA und China erreicht er bereits eine gewisse Größe: In den Vereinigten Staaten gibt es mehr als 1.500 Geisterrestaurants, in China mehr als 7.500. Die österreichische Lebensmittelwissenschaftlerin und -expertin Hanni Rützler geht in ihrem Food Report 2021 davon aus, dass sich der Trend der Geisterküchen noch verstärken wird, auch wenn die Pandemie überwunden ist.

Dass die Lieferdienste selbst immer wieder neue Geisterküchen einrichten, unterstreicht das Potenzial des Marktes. Deliveroo selbst plant, die Zahl der Geisterküchen-Standorte in diesem Jahr auf 64 zu verdoppeln, von denen aus Hunderte von verschiedenen Küchen betrieben werden sollen. Die Supermarktkette Walmart hat sich mit dem Unternehmen Ghost Kitchen Brands zusammengetan, um Dutzende von Dark Kitchens in Walmarts Filialen in den USA und Kanada einzurichten. Auch Kroger, die größte US-Lebensmittelkette, baut seine Ghost Kitchen-Operationen aus.

So gespenstisch sie auch klingen mögen, Geisterrestaurants werden wahrscheinlich so normal sein wie der Online-Kauf von Autos oder Mode.

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